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Donnerstag, 6. Oktober 2011

Wie geht man damit um, wenn die Musik toll, aber die Künstler scheiße sind? (Part 2)

5 Kommentare :
Vor einiger Zeit saßen Christian und ich zusammen und unterhielten uns über diese Situation. Wie soll man denn bloß damit umgehen, wenn der ach so verehrte Künstler eigentlich - Pardon - ein Arschloch ist. Wird die Musik dadurch schlechter?
Vor kurzem stellte sich Christian bereits diese Frage und gab wohl das Paradebeispiel für eine Musikerin, von der man nun nicht mehr weiß, wie man sie eigentlich finden soll. Denn die Tea-Party-Bewegung in Amerika gehört wohl zu den beklopptesten und unsinnigsten überhaupt - so sehe ich das zumindest. Und wenn dann eine solche Musikerin, wie Moe Tucker, plötzlich bekundet, diese Bewegung zu unterstützen, da fragt man sich doch: kann ich die noch gut finden? Oder eher: möchte ich sie noch gut finden? Dem würde ich gerne noch ein paar Zeilen widmen.

Es ist ja nicht so, dass ein Musiker generell genau die gleichen Ansichten haben sollten, wie man selbst. Es ist immer interessant, wenn es andere Positionen gibt, besonders bei Leuten, zu denen man ja nun mehr oder weniger aufschaut. Denn dann setzt man sich damit auseinander und erhascht vielleicht noch einen anderen Blickwinkel. In einigen Fälllen ändert man gar seine Meinung - weil die Gegenposition dann doch überzeugend war.
Allerdings gibt es auch solche Beispiele, wie jenes von Moe Tucker, die es nun wirklich schwer machen, die gleiche Stellung zu beziehen oder diesen Menschen noch sympathisch zu finden. Die Frage ist da natürlich, was die Sympathie oder eben auch Antipathie mit der Musik an sich anstellen. Wird sie dadurch etwa besser oder schlechter? Sicherlich gibt es auch hier verschiedene Ansichten, aber einen gewissen Einfluss hat die Gefühlslage hier bestimmt. So kann ich (beispielsweise) eines meiner liebsten Lieblingslieder, Moe Tucker von Locas In Love, zwar immer noch wundervoll finden. Aber es ist nicht mehr dasselbe. Ich kann nicht mehr so zu Moe Tucker hochschauen, wie ich es vorher tat. Da ich sie jetzt ein wenig sehr unsympathisch finde. Und was ihre eigene Musik mit Velvet Underground betrifft, so verhält es sich ähnlich.
Es gibt aber auch Gegenbeispiele. Darwin Deez ist ein junger Mann, der nicht unbedingt angetreten ist, die Musik neu zu erfinden. Dennoch weiß er mit seinen Liedern zu unterhalten und hier und da ziemlich clevere Songtexte einfließen zu lassen. Wirklich begeistern konnte mich sein selbstbetiteltes Album allerdings nicht. Es war nett, aber nicht gut. Als ich ihn dann eines Tages interviewen durfte, und merkte, wie beeindruckend er mit sich als Kunstfigur umgeht, da war ich hin und weg. Ich fand es wundervoll, wie er seinen eigenen Plan aufstellt, ihn durchzieht und sich nicht allzu sehr und den kreischenden Menschen um ihn herum beeinflussen lässt. Und mit einem Mal fand ich seine Musik interessanter. Aber warum, denn es ist doch immer noch dieselbe Musik? Wahrscheinlich, weil meine Achtung für ihn in diesem kurzen Interview sehr stieg und ich die Lieder nun mit ganz anderen Augen sehe, pardon, mit anderen Ohren höre.
Das wohl schillerndste Beispiel für Sympathie/Antipathie stellen mit Sicherheit Oasis dar. Gänzlich unsympathisch war ihr Auftritt von Anfang an - doch irgendwie war es cool. Diese Kaltschnäuzigkeit, dieses Getue. Das war dann schon wieder fast Sympathie. Also eigentlich nicht wirklich, aber es fügte seinen Teil zum Gesamtkonzept Oasis bei. Und irgendwie stand Liam Gallagher ja meist ein wenig mehr für das Unsympathische, als sein Bruder Noel. Das er sich allerdings auch ziemlich vergreifen kann, bewies er, als er 1995 in einem Interview mit The Observer den Wunsch äußerte, Damon Albarn und Alex James von Blur sollten an AIDS erkranken. Nicht nur, dass ihn diese Aussage äußerst unsympathisch machte - sie war auch extrem dumm. Er entschuldigte sich zwar, aber nett lässt es ihn immer noch nicht erscheinen. Doch trotz all dieser Eskapaden, sowohl von Noel, als auch Liam, hat diese Band es geschafft, so lange erfolgreich zu bleiben und auch zeitweise verdammt gute Musik zu machen. Und das erkenne ich an, obwohl ich beide nicht sonderlich mag - auch ohne sie persönlich zu kennen.
So werde ich wohl niemals meine Lieblingsmusiker interviewen (auch wenn ich es könnte), aus Angst, sie kennen zu lernen, würde sie in einem andern Licht erscheinen, im schlimmsten Fall gar unsympathisch werden lassen. Denn das könnte (zumindest für mich) ihre Musik zerstören.
Vielleicht ist es aber auch nur mein jugendlich naiver Anspruch auf sympathische Künstler, der später einmal verflogen sein wird. Aber da bin ich mir noch nicht allzu sicher. Spannend ist es allemal, wie sich der Blickwinkel auf Künstler - egal ob Musiker, Maler oder Schauspieler - mit ihren Aussagen oder Taten ändern und Einfluss auf ihre gesamte Kunst haben kann.
Vielleicht werde ich es ja irgendwann so sehen, wie Noel selbst:


5 Kommentare :

  1. Liebe Tante Pop,

    ich freue mich, dass dieser Artikel einmal geschrieben wurde, denn das musste er! Es ist sicherlich kein "jugendlich naiver Anspruch", sich sympathische Musiker zu wünschen. Allerdings: Wenn die Musik wirklich genial ist, der Künstler aber unleidlich, bin ich immer noch mehr geneigt, Kunst und Person zu trennen. Umgekehrt habe ich ein größeres Problem: Ich finde den Künstler, beispielsweise beim Interview, total nett. Man trinkt etwas zusammen, er erzählt auch persönliche Dinge - dann hört man sein Album oder sieht seine Show, und was er da macht, ist einfach nur schlecht. Was tun? Dem netten Menschen eine schlechte Kritik reindrücken? Bei wirklich extrem sympathischen Künstlern habe ich dieses Dilemma bislang so gelöst, dass ich dann lieber gar nicht berichtet habe. Wie handhabst du, liebe Tante, diesen Fall?

    Fragt und grüßt dabei auch nett
    Klangverführerin Victoriah Szirmai
    www.klangblog.de

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  2. Liebe Victoriah,

    vielen herzlichsten Dank für diesen Kommentar! Es freut mich (und die Tante) sehr, dass noch mehr Menschen über dieses Thema nachdenken, denn es beschäftigte und beschäftigt uns noch immer sehr.
    Und ich persönlich kann es sehr gut nachvollziehen, dass es eigentlich noch schwieriger ist, eine Band, nun ja, zu verreißen, wenn es an sich tolle Menschen sind. Und um ehrlich zu sein, weiß ich auch nicht wie ich das handhabe. Im Fall von Darwin Deez lief es darauf hinauf, dass ich seine Musik nun mehr achte, aber in anderen Fällen erging es mir da wie dir: ich habe lieber gar nichts geschrieben. Ob es da so etwas wie ein Patenrezept gibt? Ich glaube es nicht. Wahrscheinlich sollte man in jedem Fall einzeln entscheiden. Und vor allem alles ganz genau abwegen?

    Die allerbesten Grüße,
    Rita und die Tante
    P.s. ein sehr schönes Blog hast du da!

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  3. Liebe Rita, liebe Tante,

    vielen Dank für die Blumen, die ich gern zurückgebe: auch ihr habt einen schönen Blog. Womit ich schon wieder bei meiner nächsten Frage angelangt bin: Heißt es der oder das Blog?

    fragt mit den allerliebsten Grüßen
    Victoriah vom Klangverführer

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  4. Hej hej Victoriah!

    Technisch gesehen wohl 'das', aber mein persönliches Sprachgefühl diktiert mir 'der'. Kann ja sowieso jede/r halten wie es beliebt, aber bei 'das Blog' verspüre ich fast körperliche Schmerzen. Wie könnten noch die feminine Form einführen, finde ich... :)

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  5. Hallo Christian,

    das ist zugegebenermaßen eine sehr galante Idee. Solltest Du Dir hierzu (oder zu einem anderen Thema) vertiefende Gedanken machen wollen, fühl Dich (und/oder Rita) eingeladen, dies im Rahmen eines Gastbeitrages beim Klangblog zu tun.

    Es grüßt aus dem kalten Berlin
    Victoriah

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