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Mittwoch, 19. Oktober 2011

Kleinode deutschsprachiger Musik (25): Tele - Bye bye Berlin (2007)

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In einer losen Serie stelle ich Werke vor, die vordergründig eines gemeinsam haben: Sie wurden in deutscher Sprache verfasst. Das alleine ist natürlich keinerlei Qualitätskriterium. Nein, mich interessiert ein kreativer Umgang mit selbiger.

Tele (Foto: Frank Eidel)
Es gibt gefühlt eine Million Lieder über Berlin und das Leben in dieser Stadt. Manche treffend, manche verklärend, manche spottend. Die Lieder, die aus präzisen Beobachtungen entstanden sind, man also direkt geneigt ist Umstände wiederzuerkennen, sind mir die Liebsten. Ein unter diesem Gesichtspunkt sehr gelungenes Werk ist Bye bye Berlin von Tele.





Eigentlich ist das Lied voller Verbitterung, Spott und Depression, aber man hört die ganze Zeit nur Melancholie. Das ist wohl vor allem der markanten Stimme von Francesco Wilking geschuldet, aber auch aus der besungenen Resignation ob der großstädtischen Lebensumstände.

Es steckt ziemlich viel Berlin-Depression im Lied: Die Einsamkeit und Anonymität, unter der viele leiden. Die ewigen Gentrifizierungsprobleme. Die Leere und der fehlende Sinn im Tun. Das alles sind Sachen, von denen hier ganz schön viele geplagt sind. Wer darin versinkt kommt wohl zwangsläufig an einen Punkt, an dem hinterfragt werden muss ob die aus der Ferne so tolle Traumstadt wirklich die persönliche Erfüllung bringt, oder aber die Erwartungen zu stark von der Realität abweichen und etwas weniger Annonymes für einen persönlich besser wäre.

Wenn man sieht wieviele Menschen hier einfach über Jahrzehnte versumpft sind und ihre Existenz immer trostloser wird, steht die Frage im Raum, wie der zugewanderte Berliner rechtzeitig erkennt, dass ihn die Stadt kaputt macht.

Bye bye Berlin ist eine sehr gelungene Vertonung genau dieses schmerzhaften Erkenntnisprozesses, weil Beobachtungen in den Vordergrund rücken, die sonst eher für neben- und nicht ursächlich für die Depressionen gehalten werden. Aber genau das ist es - wenn sich das Wissen nur um Straßennamen und Öffnungszeiten erweitert, wenn die eigene Identität doch nur auf irgendwelchen Trends und vorangegangen Identitäten fußt, und das Gefühl, dass irgendwas fehlt, drückend wird.

Ich wohne gerne in Berlin, beobachte aber diese Tendenzen und merke das auch selbst ab und zu. Mir gibt die Stadt aber alles was ich brauche, im Gegensatz zur Provinz. Interessant finde ich, dass diese Gentrifizierungsprobleme und Abneigungen gegen Touristen meiner Meinung nach genau deswegen entstehen, weil viele Menschen nach Berlin ziehen, die letztendlich doch ein kleinstädtisches Leben führen wollen, dabei aber aus Annehmlichkeits- oder Coolnessgründen nicht auf die Metropole verzichten möchten. Natürlich ist das Thema viel zu komplex, um es so einfach runter zu brechen, aber ich finde das trifft einen wahren Kern, auch wenn unüberschaubar viele Ursachen zu dieser ungünstigen Annonymitäts- und Gentrifzierungsgemengelage führen.


Ich bin alleine hier in einem Raum voller Leute
die alle wie ich aussehen
Es läuft der Fernseher ohne Ton und ein Lied
über Gefühle die nie vergehen
Vor zehn haben hier nur Omis gewohnt
Die sind verjagt worden, nur wohin ist nie gesagt worden
Die Möbel hat man behalten weil sie so schön alt sind
An der Wand hängt Maria mit einem Kind im Arm

Das Licht ist gelb, der Wein ist warm
Die Zeitung von morgen liegt da
Es ist Montag, nachts um 4 Uhr 10
Ich kann riesige Buchstaben auf dem Mond sehen

Da steht
Bye Bye Berlin - Was soll da sonst stehen?
Bye Bye Berlin - Ich hab es kommen sehen
Bye Bye Berlin - Ich bin wie Luft in
Bye Bye Berlin

Die Stadt ist wach, hinter Mauern aus Glas
Es gibt hier Leute die dauernd rennen
gegen den Strom, gegen Wasser und Gas
Sie reden schneller als wir hören können
Und der Himmel lädt sich auf mit Werbung
Sie schickt ihre Strahlen auch hinter blinde Fassaden
Ich weiß ich bin hier um zu lernen, und zwar mehr
als nur Öffnungszeiten und Straßennamen

Die Luft ist kalt, das Licht ist neu
Die Zeitung von heute liegt da
Es ist Dienstag morgens um 10 nach 7
Wer hat russische Wörter auf meinen Spiegel geschrieben

Da steht
Bye Bye Berlin - Wo soll das hinführen?
Bye Bye Berlin - Es hat keinen Sinn mehr
Bye Bye Berlin - Ich will zurück nach
Bye Bye Berlin

Dann kommt der Tag den ich niemals erwartet hätte
Der Zug steht mit einem Rad auf der Bahnsteigkante
Die Sonne flutet die Straßen wie ein Vulkan
Die bösen Träume sind weg
Und meine Freunde sind da und singen

Bye Bye Berlin - Alle sind da und singen
Bye Bye Berlin - Die Sänger im Radio singen
Bye Bye Berlin - Die Leute auf den Straßen singen
Bye Bye Berlin - Die Geldautomaten singen
Bye Bye Berlin - Sanke und Martha singen
Bye Bye Berlin - Die Vereinigten Staaten singen
Bye Bye Berlin - Joschi und Markus singen
Bye Bye Berlin - Tobi und Luli singen
Bye Bye Berlin - Aldi und Lidl singen
Bye Bye Berlin - Seeed und Bushido singen
Bye Bye Berlin - Mia und Melanie singen
Bye Bye Berlin - Noli und Florian singen

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