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Samstag, 2. Februar 2013

Album für Album: The Kinks - Preservation Act I & II (1973/74)

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Ich möchte über die Musik der Kinks schreiben, sitze vor dem Berg an Material und weiß nicht, wie man die ganzen Gedanken dazu in einen gut lesbaren Fließtext verwandelt bekommt. Es gibt zuviel – z.B. die vielen grandiosen Alben aus den 60ern, von dem jedes anders klingt und es oft an wundervollen Ideen übersprudelt. Es gibt diverse theatralisch aufgebaute Konzeptalben aus den 70ern, über Vergänglichkeit, Schule und Star-Dasein, die viel zu selten gewürdigt werden, obwohl sie mitunter fantastisch sind. Da ist noch die Stadionrockphase Ende der 70er, Anfang der 80er und ab Mitte der 80er das durchwachsene, meist ignorierte Spätwerk, welches aber doch ab und an Highlights bietet. Deswegen möchte ich meine Gedanken und Empfehlungen zu den 24 Studioalben einfach in chronologischer Reihenfolge niederschreiben, mit der Hoffnung dass einige LeserInnen den ein oder anderen untergegangenen Schatz für sich entdecken.


Nie war die Verwirrung größer. Dieses ganze Preservation-Ding begann mit dem göttlichen Village Green Preservation Society Album von 1968. Nun sollte das in epischer Breite fortgesetzt werden, aber da hat sich der Herr Ray Davies ordentlich verzettelt. Die beiden Alben kamen separat auf dem Markt (aber nur wegen der drängelnden Plattenfirma), sind allerdings als ein einziges Werk zu betrachten. Es soll so eine Art Rockoper um das bekannte Thema sein. Preservation Act I führt die zahlreichen Charaktere ein (ist somit als einzelnes [Konzept-]Album ziemlich unbrauchbar), während Preservation Act II 'versucht' eine Geschichte zu erzählen.

Die wichtigsten Figuren sind Regierungschef Mr. Flash und Revolutionsführer Mr. Black. Daneben gibt es noch den Vicar und den Tramp sowie einige andere Nebenrollen. Jedes Lied wird, wie in einer Rockoper anzunehmen, von bestimmten Personen gesungen. Das würde man nur durch das Anhören aber nicht merken, denn bis auf die Ansagen und Chöre stammt fast alles aus Ray Davies' Mund. Das macht es schwer dem Ganzen zu folgen – (mehr) Gastsänger wären eine echte Bereicherung für das Werk gewesen. Also, während wir das Album hören lesen wir immer fleißig im Begleitheft mit wer denn an der Reihe ist. Ohne eine konkrete Geschichte zu erzählen bietet Act I eher allgemein gehaltene Lieder über Vergangenheit und Zukunft, wie eben schon 1968 - qualitativ leider meist weit davon entfernt. Ein schönes Lied ist 'Where are they now?' vom Tramp. Blöderweise ist es bei dem Lied – wie auch bei einigen anderen so ein bisschen wie z.B. Faust II zu lesen. Kann man schön finden, aber ohne gefestigte Kenntnisse in griechischer Mythologie führt das zu nichts. Hier sind es nicht griechische Götter, sondern eine Menge Persönlichkeiten der damaligen Zeit, die zumindest mir spontan kein Begriff mehr sind. Es ist also kein zeitloses Album, sondern im Gegenteil, deutlich vom Zeitgeist bestimmt.

Die Verbindung zum Village Green Preservation Society Album wird außerdem über 'One of the Suvivors' hergestellt. Hier singt Johnny Thunder vom damaligen Album über sich selbst als Überbleibsel aus der guten alten Zeit des Rock'n'Roll. 'Money & Corruption / I am your man' ist ebenfalls ein durchaus gelungenes Stück, wenn auch sehr bunt zusammengewürfelt.

Am meisten mag ich von dem Album die Lieder, die dem Tramp zugeschrieben werden. Das schon genannte 'Where are they now?', aber auch das entspannte, aussteigerhaft positive 'Sitting in the mid-day sun' und vor allem 'Sweet Lady Genevieve'. Wenn dieses Album eines bieten kann, dann letztgenanntes Meisterwerk. Es ist eines der wundervollsten Lieder der Kinks und so meilenweit entfernt von der mäßigen Qualität des restlichen Albums. Es hat sich zweifelsohne verlaufen. Andererseits, immerhin geben solche Lichterscheinungen Hoffnung das selbst in uninspirierten Phasen immer wieder etwas Wundervolles kommen kann. Mit diesem überaus hochgelobten Lied beenden wir lieber die Schau auf Teil 1 und wenden uns Act II zu.

Ok, erstmal die -naja- Geschichte: Mr. Flash führt eine korrupte Regierung und die wirtschaftlichen Ungerechtigkeiten im Land sind riesig (kleine Randnotiz: zwei Alben später erscheint mit Schoolboys in Disgrace so eine Art Prequel, in welchem die Schulzeit von Mr. Flash thematisiert wird). Dann tritt Mr. Black auf den Plan, ein Revolutionär der gegen die Korruption und für eine gerechtere Gesellschaft kämpft. So einfach wie es klingt ist es dann doch nicht, denn er kämpft nicht nur für Gerechtigkeit, sondern ist auch auf einem Kreuzzug gegen die Sünde, also so unerträgliche Zustände wie Homosexualität. Wir sehen also, eigentlich gibt es in der Geschichte kein echtes Gut und Böse. Vielleicht ist das auch das Abschreckende an dem Album - es ist wie Schah Pahlavi gegen Chomeini, aber man will ja doch einen Helden und nicht zwei Unsympathen. Natürlich passiert mit den Charakteren noch was, sonst wäre es ja langweilig. Doch dazu später.

Musikalisch ist das Album ganz schön Kraut und Rüben. Es schimmern durchaus viele gute Ideen durch, aber der Mix aus den unterschiedlichen Stilen und den Fluss unterbrechenden 'Announcements' macht es schwer es am Stück zu hören. Blöd nur, dass die Lieder es eigentlich erfordern genau das zu tun. Was den Inhalt angeht muss man permanent mitlesen welcher der Charaktere grade an der Reihe ist und in welcher Szenerie man sich befindet. Hält man bis zum Ende durch kann man mit viel gutem Willen dem Werk einen roten Faden abgewinnen, aber es wirkt an den meisten Stellen wirklich wie viel zu hastig produziert. Das große Ganze, was bei einem Konzept und insbesondere einer Rockoper nunmal wichtig ist, geht unter.

Es gibt aber auch Glanzlichter im Gewühl. Da wäre zum Beispiel 'Shepherds of the Nation' – ein großartiges Werk über die Wiederkehr überholter totalitaristsicher Moralvorstellungen – wir denken uns den Begriff 'Tea Party'. 'Nobody gives', gesungen vom Tramp, meinem Lieblingscharakter, versucht die politische Großtheorie des Realismus in für einen Popsong sehr detailierter Darstellung von historischen Ereignissen zu untermauern – um dann an der angeblich unumstößlichen Konstante der Nullsummenspiele zu verzweifeln (jaja, ich habe Politik studiert, aber ist das nicht interessant?! Ein bisschen?). Im folgenden Lied 'Oh where oh where is love?' wird die Schlechtigkeit der Menschen nochmal aus einer etwas emotionaleren Perspektive betrachtet. Hier hören wir Ray Davies im Duett mit einer Gastsängerin, und man merkt wie gut es dem Lied tut das nicht nur er singt. Ich wiederhole mich, aber so hätten sie es wirklich über das ganze Preservation-Projekt durchziehen sollen und die Alben wären um Längen besser geworden.

Die Wende in der Geschichte passiert so nach 2/3 des Albums in 'Flash's Dream (The final elbow)'. Dort kommt der inzwischen abgesetzte, korrupte Führer zur Besinnung, denn sein Gewissen meldet sich und erklärt ihm, er habe nicht das Glück der Leute, sondern nur sich selbst bewahren wollen. Dieses zur Besinnung kommen wird in den folgenden Liedern erstmal ausgebreitet. Dann kommt wieder der neue Saubermann-Führer Mr. Black ins Spiel und erläutert in 'Artificial Man' seine Vision einer ultimativ künstlich gestalteten Welt. Seine Vision wird dann natürlich im Brave New World Sinne umgesetzt und drastisch in 'Scrapheap City' beschrieben – wieder mit Gastsängerin, wieder besser als das meiste andere Material. Möglichst dystopisch will das Album enden, ohne auch nur einen Funken Hoffnung übrig zu lassen. Das letzte Announcement beschreibt den Niedergang der Lebensqualität, um dann im Finale die neue Hymne, die Straße zur Erlösung, zu singen.

Die Geschichte ist eher mau, wirkt unvollendet. Es ist schade um die Grundidee, denn ein dystopisches Album über rivalisierende Gesellschaftsformen könnte sicherlich gut sein. Trotzdem, irgendwie habe ich dieses Album auch ins Herz geschlossen, denn selbst mit all seinen Unzulänglichkeiten hat dieses obskure Machwerk einen besonderen Platz in der Popmusikgeschichte - und experimentieren und dabei scheitern ist immernoch viel besser als einfach das 20ste gleichklingende Album zu produzieren. Mein Respekt für den Mut das gegen sehr viele gegenteilige Interessen durchzuziehen....und ein paar schöne Lieder sind ja dabei rumgekommen.

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