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Dienstag, 27. September 2011

Kleinode deutschsprachiger Musik (22): PeterLicht - An meine Freunde vom leidenen Leben (2008)

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In einer losen Serie stelle ich Werke vor, die vordergründig eines gemeinsam haben: Sie wurden in deutscher Sprache verfasst. Das alleine ist natürlich keinerlei Qualitätskriterium. Nein, mich interessiert ein kreativer Umgang mit selbiger.

PeterLicht
Hey hey! Liebe Freunde vom schönen Leben, ich wende mich an euch, denn ich hoffe wir werden von den Freunden vom leidenen Leben eher nicht gelesen. 

PeterLicht arbeitet sich gerne und ausführlich am Marktradikalismus und dem, was man landläufig Neoliberalismus schimpft ab. Mal sehr direkt, wie zum Beispiel im Lied vom Ende des Kapitalismus, mal eher mit Chiffren. Das Lied An meine Freunde vom leidenen Leben vom 2008er Album Melancholie & Gesellschaft (Vgl. Fehlfarben - Monarchie & Alltag 1980) wirkt oberflächlich betrachet etwas verklausuliert, ist aber durchaus gut verständlich.

Was seine Werke ausmacht ist der Wille zum Positiven. Schimpfen ist einfach, aber PeterLicht formuliert seine Kritik immer so, als es ob er Lösungen aufzeigen könne, was er zwar auch nicht kann, damit aber den meisten anderen Kritikern trotzdem weit voraus ist. Mir kommt das sehr entgegen, weil es für mich immer ein Anliegen ist FÜR etwas zu sein und nicht GEGEN etwas. Klingt haarspalterisch, aber ich finde es macht einen gewaltigen Unterschied.

Zum Lied. In der ersten und zweiten Strophe werden ästhetisch ansprechende Umschreibungen für eben jene FDP-Klientel ausgebreitet, die ziemlich viel beinhalten. Nun ist es auch hier so wie früher im Deutsch-Unterricht. Man kann lange Aufsätze über die Bedeutung selbst kürzester Textpassagen schreiben, aber letztendlich weiß man nie ob der Autor das tatsächlich, oder überhaupt irgendwas, dabei gedacht hat. Sparen wir uns das also und gehen über zum Refrain.

Jetzt spricht PeterLicht die Gegenseite an (und schließt sich auch mit ein). Er führt auf, das es eben auch unverkäufliche Sachen gibt, hier etwas sehr lyrisch mit Seele und Herz umschrieben, und man deshalb niemals arm und unfrei sein kann. Mir gefällt die Haltung, auch wenn die Mehrheit der Menschheit selbst mit Rosa-Philosophiebrille betrachtet arm und unfrei ist. Es ist eben das erwähnte, unbedingte Positive. Es ist die grundsätzliche Haltung, sich einfach niemals als arm und unfrei sehen zu können. Das hat was Anrührendes und Schönes.

Es folgt eine sehr grundsätzliche Aussage:
Frei sollten wir sein, sonst könnten wir uns nicht davon befreien, frei zu sein.
Was fangen wir damit an? Mir mangelt es leider an philosophischer Bildung. Natürlich hat jeder Philosoph, der was auf sich hält, sich zum Thema Freiheit geäußert. Mir schoss bei den Zeilen Sartre in den Kopf. Wikipedia sagt zu Freiheit und Sartre:
Der Bürger könne sich die Welt nicht anders vorstellen als sie sei. Folgerichtig skizziert Sartre ein paar Jahre später den Kollaborateur als einen Menschen, der sich den vollendeten Tatsachen füge. Dabei nehme der Kollaborateur allerdings die Perspektive der Zukunft ein, aus der jede Vergangenheit und jedes Elend zu einem guten Ende führen würde und darin aufgehoben wäre.

Äußerliche Zwänge gesellschaftlicher, natürlicher oder göttlicher Art leugnet Sartre. Dies sind Zufälligkeiten. Es sind jedoch nur die Grenzen der Situation des Menschen, nicht die Grenzen seiner Freiheit. Der Mensch kann die Kontingenz, diese Grenzen übernehmen, integrieren und damit versuchen zu überschreiten. Freiheit ist somit die winzige Bewegung über das Gegebene hinaus. Der Mensch trägt insofern Verantwortung, als er derjenige ist, der das Gegebene auf sich nimmt und gleichzeitig mit diesem Aufsichnehmen das Gegebene in seiner Freiheit negieren kann.

In einem Turm gefangen kann der Mensch nicht ohne Weiteres flüchten, aber er kann planen zu flüchten, er kann sich mit der Möglichkeit einer Flucht beschäftigen. Der Mensch kann sich jederzeit über die Situation hinaus entwerfen, selbst wenn er dabei scheitert. Das Scheitern ist nicht der Gegensatz zur Freiheit, sondern eine menschliche Möglichkeit, die sich aus seiner Freiheit ergibt. Die Dinge leisten uns keinen Widerstand. Durch unsere Entwürfe können die Dinge zu einem Widerstand werden. Sartres Beispiel: Der Felsen zum Gipfel kann mir nur Widerstand leisten, wenn ich mir vorgenommen habe, den Gipfel zu erklimmen.

Der Mensch ist in Situation frei, nicht im luftleeren Raum. Zitat aus Das Sein und das Nichts: "So ahnen wir langsam das Paradox der Freiheit: es gibt Freiheit nur in Situation, und es gibt Situation nur durch die Freiheit. Die menschliche-Realität begegnet überall Widerständen und Hindernissen, die sie nicht geschaffen hat; aber diese Widerstände und Hindernisse haben Sinn nur in der freien Wahl und durch die freie Wahl, die die menschliche-Realität ist.

Klingt für mich ähnlich, aber wie gesagt, ich bin leider relativ ahnungslos.

Im C-Teil des Liedes verdeutlicht PeterLicht die scheinbare Trostlosigkeit der Situation, proklamiert aber dennoch, dass der Traum weiter geht. Hier ist die sehr direkte Anleihe an Der Traum ist aus deutlich. Für mich steht er sowieso aus Politliedermacherischer Sicht in Nachfolge der Scherben, weil sie, abgesehen von einigen Frühwerken, ähnlich positive Weltsichten vertraten und optimistisch nach vorne schauten.

Was nehmen wir mit aus dem Lied? Es sind 2 Grundgedanken:

Was ist Freiheit?
und
Was ist in jeder Gesellschaft unveräußerlich?


hey hey meine freunde vom leidenden leben
welches stück wolln wir geben?
hey hey da seid ihr ja wieder
und singt eure lieder
ihr treibt einen reifen über die straßen
und es klebt euch öl im gefieder

wir hier und unsere unsterblichen seelen
sag mir wie sollten wir arm sein?
wir und der unpfändbare rest unserer herzen
was sollten wir anders sein als frei?

frei frei frei sollten, frei sollten wir sein
sonst könnten wir uns nicht davon befreien, frei frei zu sein

hey hey meine utopischen piloten
da fliegt ihr ja wieder
unterwegs im auftrag von schönheit und gelingendem leben
ich sing eure lieder

wir hier und unsere unsterblichen seelen
sag mir wie sollten wir arm sein?
wir und der unpfändbare rest unserer herzen
was sollten wir anders sein als frei?

frei frei frei sollten, frei sollten wir sein
sonst könnten wir uns nicht davon befreien, frei frei zu sein

frei frei frei sollten, frei sollten wir sein
sonst könnten wir uns nicht davon befreien, frei frei zu sein

kein geld, aber der traum geht weiter
der film ist aus, aber der traum geht weiter
keine beine, aber wohin es auch geht es geht weiter
der schlaf ist aus, aber der traum geht weiter
die pläne sind gemacht, aber der tag geht weiter
die felle sind verteilt, aber der traum geht geht geht geht geht geht geht geht geht weiter

frei frei frei sollten, frei sollten wir sein
sonst könnten wir uns nicht davon befreien, frei frei zu sein
frei frei frei sollten, frei sollten wir sein
sonst könnten wir uns nicht davon befreien, frei frei zu sein
frei frei frei sollten, frei sollten wir sein
sonst könnten wir uns nicht davon befreien, frei frei zu sein

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