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Donnerstag, 16. Mai 2013

Album für Album: The Kinks - State Of Confusion (1983)

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Ich möchte über die Musik der Kinks schreiben, sitze vor dem Berg an Material und weiß nicht, wie man die ganzen Gedanken dazu in einen gut lesbaren Fließtext verwandelt bekommt. Es gibt zuviel – z.B. die vielen grandiosen Alben aus den 60ern, von dem jedes anders klingt und es oft an wundervollen Ideen übersprudelt. Es gibt diverse theatralisch aufgebaute Konzeptalben aus den 70ern, über Vergänglichkeit, Schule und Star-Dasein, die viel zu selten gewürdigt werden, obwohl sie mitunter fantastisch sind. Da ist noch die Stadionrockphase Ende der 70er, Anfang der 80er und ab Mitte der 80er das durchwachsene, meist ignorierte Spätwerk, welches aber doch ab und an Highlights bietet. Deswegen möchte ich meine Gedanken und Empfehlungen zu den 24 Studioalben einfach in chronologischer Reihenfolge niederschreiben, mit der Hoffnung dass einige LeserInnen den ein oder anderen untergegangenen Schatz für sich entdecken.


Das Album schließt ziemlich nahtlos an seinen Vorgänger Give The People What They Want an, auch wenn das Material qualitativ etwas durchwachsener ist, aber immernoch auf einem hohen Niveau. Man hat das Gefühl, neben dem allgemeinen (und angebrachten) Gemotze gibt es auf dem Album auch viel Persönliches zu hören. Allen voran die Hit-Single 'Come dancing' – ein auf Ohrwurm getrimmtes Lied über eine Schwester der Davies-Brüder, und die alten Zeiten, als sie tanzen ging und um Mitternacht zu Hause sein musste, weil die Mutter das streng überwachte. In der letzten Strophe folgt die kleine Erinnerung daran, dass es jetzt ja umgekehrt sei. Das Lied würde, zwar nicht stilistisch, aber immerhin thematisch gut in den ganzen Preservation-Reigen passen. 'Don't forget to dance' klingt wie Teil II von 'Come dancing' (kein Wunder, es geht um dieselbe Schwester), und ist fast noch mehr auf Radiotauglichkeit ausgelegt. Das führt dazu, dass die Lieder zwar nicht sonderlich spannend sind, aber einen seichteren Hörgenuss bieten. Auf Albumlänge klänge das allerdings komisch, aber das haben sie zum Glück unterlassen. Mein Lieblingslied aus dem seichteren Reigen ist 'Heart of Gold'. Es schließt sich dem Geschwisterthema an und lebt vom schwer imitierbaren Dave Davies'schen Backgroundgesang im Refrain.

Wenn man sich so durch das Album hört fällt auf, dass viele Ideen nicht neu sind. Ich habe eher den Eindruck man bediene sich spätestens jetzt eher älterer Eingebungen und setze sie nochmal anders um. Ein Beispiel ist 'Clichés of the world (B Movie)' – solche -ach der Alltag ist ja so dröge- Lieder haben die Kinks zu dem Zeitpunkt schon einige, wobei dieses zu den besseren gehört. Auch das Eröffnungs- und Titelstück 'State of Confusion' klingt wie schon einmal dagewesen, genauer gesagt wie eine aufgepeppte Version von 'Dead End Street'. Ich mag es, aber man muss die Frage ignorieren, warum so etwas künstlerisch nötig ist. Das gleiche gilt für 'Long Distance' – nettes, unspektakuläres Lied, aber auch nicht gerade neu.

Kommen wir zu den rockigen Motzliedern. Da wäre zum einen 'Definite Maybe', ein Lied über die Wirrungen der Bürokratie in der Informationsgesellschaft. Wir hören sozusagen das typische Passierschein A38-Problem, welches leider die meisten Menschen dann und wann durchmachen müssen.
Oh, I'm tired of making endless calls.
(Somebody help this poor man.)
Banging my head against the wall.
I walk along an endless corridor,
Then I knock on the door, then I realize
That I've been there before.
No one here can hear my case.
So all I ever get is a definite maybe.
When they say, "no news today, get back in the queue,"
What can I do?
Das recht aggressive Stück 'Bernadette' stammt noch aus den (ziemlich produktiven) Sessions zum Vorgängeralbum – und ist ein Lied über Paris Hilton (und ihre nichtsnutzigen Kolleginnen, die ich nicht mit Namen kenne). Die gab es zwar seinerzeit noch nicht, aber offensichtlich ähnliche Persönlichkeiten. Vielleicht hat da jemand schlechte Erfahrungen gemacht:
Maybe a famous rock star will fly you away,
Then you'll eat him all up,
And spit him out,
With a dash of Perrier.

And when you've had enough
You'll throw him away,
And take him for all you can get.
Yeah, you like it don't you, Bernadette?
Mein Lieblingsmotzstück, und eines meiner Lieblings-Kinks-Lieder überhaupt ist 'Young Conservatives'. Oh wie herrlich Ray Davies über die ekeligen Jungspießer der Thatcher-Ära herzieht! Ja, genauso muss man das rauslassen. Manchmal sind Lieder, welche auf der Basis von Hass geschrieben wurden, einfach die besten. Das wirklich Schlimme ist, es passt in jede Zeit. Äußerlichkeiten mögen sich im Laufe der Jahrzehnte ändern, aber die jüngeren Generationen werden im Allgemeinen immer konservativer. Und was kann man dagegen machen? Nichts! Es ist ein Elend, und um wenigstens sich selbst abreagieren zu können, ohne die Fassade des Konrad-Adenauer-Hauses nachts zum Positiven umzugestalten, kann man eben Lieder wie diese hören. Im Grunde reden wir also über Opium fürs Volk, aber ich bin mir nicht sicher ob 'Young Conservatives' Opium ist. Es könnte auch als Aufputschmittel fungieren, aber soweit ich weiß tat es das leider noch nie.
Ban the bomb, oh how contemporary,
In your parents' car.
Another chip off the block, is that all that you are?
Look at all the young conservatives
Hanging out in the bars.
It's got to stop before it goes to fa-fa-fa-fa-far.

Get yourself some new attire,
Set your sights a little higher,
You're going to join the young conservatives.

The establishment is winning,
Now the battle's nearly won.
The rebels are conforming,
See the father, now the sons.
All the urgency and energy
Have turned into complacency,
Now the schools and universities are turning out a
brand new breed of young conservatives.
Conservatives.
In 'Labour of love', welches sehr schön mit einem schrägen Hochzeitsmarsch beginnt, wird über die Abgründe der Ehe gelästert. Die Betrachtung von Ehepaaren als zweiköpfiges Monster hat eine sehr wahre Ebene. Seine Theorie, dass man wirklich miese Jahre braucht und alle Freunde verschrecken muss, um letztendlich mal zusammen glücklich zu sein, wirkt befremdlich (oder ich habe den Witz nicht verstanden, kann auch sein). Auf jeden Fall glänzt das Lied mit Ray Davies' bestechender Beobachtungsgabe (eventuell auch an sich selbst). Das Lied darf auf keinem Hochzeitsfest fehlen. Vielleicht sollte man doch ab einem bestimmten Ausmaß der Quälerei einfach einen Kopf abschlagen und sehen was passiert. Vielleicht wächst dem Monster ein neuer zweiter Kopf, wer weiß.
Mr. and Mrs. Horrible are an example of what I say.
They used to be so in love, now they fight so much
That they've frightened all their friends away.
They never get visits from neighbors,
They've alienated everyone.
And what started off as all cuddles and kisses
Has finally become

A labour of love, labour of love.
The torment, the worry and woe,
Love's full of fears, bruises and tears,
That's the way that a true love grows.
It's a labour of love, labour of love.
It's a struggle, without a doubt,
But if they keep on trying, screaming and crying,
Somehow they're gonna work it all out.
In 'Property' wird dann der zweite Kopf tatsächlich abgeschlagen (und muss ausziehen mit unbekanntem Ziel). Trennungslieder sind keine besonders seltene Angelegenheit, aber hier ist doch bemerkenswert dass es 'Property' heißt und sich der Titel darauf bezieht, dass die ganzen Sachen, die zusammen gekauft wurden, nur Staub gesammelt haben, jetzt aber die Beziehung überdauern. Von allem bleibt nichts außer diese kleinen, unbedeutenden Besitztümer. Es ist auf jeden Fall eines der traurigsten Kinks-Lieder, wobei auch betont wird dass die beiden Protagonisten jetzt frei seien. Im beschriebenen Moment ist der Umstand mit viel Bitterkeit verbunden, aber letztendlich stimmt es. Und den ganzen Trödel kann man einfach verschenken, was solls.

Insgesamt ist 'State of Confusion' eine Ansammlung von netten Liedern und einigen besonders gelungenen Stücken, aber es wirkt etwas ziellos. Nun müssen Alben kein Ziel haben, aber es bleibt der Eindruck, man habe versucht es allen recht zu machen. Seicht wechselt sich mit rockig ab, harmlos mit wütend. Dem Hörer soll nicht langweilig werden, aber manchmal geht der Versuch nach hinten los. In dem Fall tendiere ich dazu, je nach Stimmung einzelne Lieder rauszupicken und das Album nicht am Stück zu hören. Trotzdem, das Album ist durchaus empfehlenswert und auf jeden Fall eines ihrer besseren Werke.


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