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Mittwoch, 6. März 2013

Musik und Nebenwirkungen: Lass uns nicht von Sex reden sang einst Jochen Distelmeyer, aber was weiß der schon...

2 Kommentare :
Ein Klassiker der Intimmusik. Dieses Album ist garantiert für mehr
Kinder verantwortlich als Kristina Schröders seltsame Wurfprämien.
Es mag am aufkeimenden Frühling liegen, aber heute schoss mir das heikle Thema 'Zwischenmenschlichkeit und Musik' in den, ja, Kopf. (2011 habe ich darüber schon einmal in kurzer und kruder Form sowie fremder Sprache geschrieben). Als in Liedern abgearbeitete Themen dürfte Liebe auf Platz 1 liegen, gefolgt von Sex. Vermutlich kommen Drogen auf Platz 3. Mir geht es an dieser Stelle aber überhaupt nicht um Selbstmitleid, Angeberei oder Lästertätigkeiten von Künstlern, sondern um den Umgang mit Musik im zwischenmenschlichen Bereich.

Mein erster öffentlich äußerbarer Gedanke führt zum Film Verschwende deine Jugend mit Tom Schilling. Er ist abends zu Gast bei einem hübschen Hippie-Mädchen, und während sie im Bad verweilt blättert er mit zunehmend angewidertetem Gesicht durch ihre Plattensammlung - Extrabreit, Ina Deter, The Police (waaas, er hat gesagt The Police ist scheiße? Nein! Aber ganz schön unsexy) – und findet zum Glück noch das großartige Boys don't cry-Album von The Cure. Auch wenn er den Anblick der Sammlung nicht als Auslöser seiner kurz darauf folgenden, hastigen Flucht benennt, es wäre nachvollziehbar gewesen.

Dies soll weder ein Angriff auf den höchst individuellen Musikgeschmack sein, noch halte ich es für sinnvoll bewusst intimgeeignete Musik bereit zu halten. Genau solche Menschen kaufen nämlich so etwas unsägliches wie die Kuschelrock-Compilation. Ihhh pfui, dann doch lieber Ina Deter.

Mein Punkt ist, Musikgeschmack ist auch immer eine Charakterfrage. Basta. Was soll ich bitteschön von einem Menschen erwarten, der mir entgegnet er höre nur Elektro? Da muss doch eine innerliche Gefühlskälte raumgreifen wenn Musik nur noch Mittel zum Exzess ist und sonst keine emotionale Funktion mehr hat (ich mutmaße das natürlich, aber es ist schwer vorstellbar jemanden tief ergriffen einem itz-itz-itz-Werk lauschen zu sehen). Bei vielen Varianten musikalischer Vorlieben fehlt mir sicherlich lediglich die Vorstellungskraft – warum sollte man nicht auch von Enrique Iglesias tief ergriffen sein können. Trotzdem, eine innige Verbindung über solche Barrieren hinweg scheint mir schwer herstellbar - schwerer als z.B. Vegetarier und Kadaveresser, aber das ist womöglich nur eine extremistische Einzelmeinung meinerseits. Ich gebe allerdings zu bedenken - es gibt auch Fragen die jenseits einzelner Vorlieben für diesen und jenen Künstler liegen. Wenn ich in einer Konversation zu Rio Reiser komme und es entgegnet mir 'wer ist das?', dann offenbart sich in allein in diesen drei Worten die ganze Dramatik einer mir fremden Sozialisierung. Nun mag es für ein erfülltes Leben nicht unabdingbar sein Rio Reiser zu kennen, aber allein diese scheinbar unscheinbare Unterschiedlichkeit macht innerhalb von drei Sekunden deutlich, dass wir zwischenmenschlich im Grunde keinerlei Möglichkeit haben werden wirklich innig zueinander zu finden (eigentlich ist so ein drei Sekunden langer Könnte-das-eventuell-mehr-sein-Test relativ vorteilhaft, man muss nur engstirnig genug sein, aber das ist nicht so schwer).

Das Problem der konträren Musikgeschmäcker, um mal wieder zum Thema zu kommen, besteht im Übrigen nicht nur für innige, sondern auch bei rein geschlechtlichen Verbindungen; nur in diesem Fall eine konkretere Situation betreffend. Man stelle sich vor der neue Sexpartner legt Rammstein auf, oder 'Ritt der Walküre'. Da bleibt nichts außer schnell das Weite suchen.

Die Grenzen des musikalischen Geschmacks, Teil I und II, sollten frühzeitig abgesteckt werden um Irritationen, Enttäuschungen und Totschlag zu verhindern. Überdies ist das doch ein ausgesprochen interessantes Thema für anfängliche Konversationsversuche.

Unterm Strich wollte ich nur mal zum baldigen Frühlingsanfang darauf hinweisen die musikalischen Vorlieben der potentiell begehrten Person(en) nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Das kann böse enden.

Na gut, zum Schluss doch noch ein eigentlich privater Gedanke: Ich hatte 2005 mal eine Mitbewohnerin - nett, hübsch, all das hätte sie sein können, es wäre egal gewesen – denn jeden Morgen weckte sie sich mit den furchteinflößenden Klängen von Pur. Allein deswegen wären weder eine emotionale noch eine sexuelle Beziehung jemals möglich gewesen.

Und, Tom Schillings Entscheidung in Verschwende deine Jugend für Boys don't cry war eine sehr gute, finde ich. Seine eigentlichen Fluchtgründe sind jedenfalls weniger schlimm als eine Ina Deter-Platte. Eine persönliche Hitparade spare ich mir lieber an dieser Stelle, aber eines sei gesagt: Blumfeld würden nicht darin vorkommen.

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