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Montag, 2. Januar 2012

Kleinode deutschsprachiger Musik (35): Nina Hagen Band - Unbeschreiblich weiblich (1978)

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In einer losen Serie stelle ich Werke vor, die vordergründig eines gemeinsam haben: Sie wurden in deutscher Sprache verfasst. Das alleine ist natürlich keinerlei Qualitätskriterium. Nein, mich interessiert ein kreativer Umgang mit selbiger.

Wir kennen Nina Hagen alle als sehr sehr schrullige gealterte Frau, die gerne mal was von UFOs und irgendwelchem Esoterik-Gedöns erzählt. Andererseits war sie immer einer der progressivsten Menschen in der Mainstream-Unterhaltung, und das sollte man bei aller berechtigten Kritik nicht vergessen. Sie hat viele wunderbare Sachen gemacht - und auch heute sitzt sie nicht nur in Talkshows und der Popstars-Jury, sondern engagiert sich bei sinnvollen Sachen wie den Freiheit-statt-Angst-Protestaktionen. 

Um mal ausnahmweise nicht auf dem Negativen rumzureiten, möchte ich heute ein tolles, progressives Werk von ihr aus den 70ern würdigen - 'Unbeschreiblich weiblich'.

Es befindet sich auf dem ebenfalls herausragenden, schlicht selbstbetitelten Album von 1978, was stark vom englischen Punk der damaligen Zeit geprägt ist und wie kaum etwas anderes aus der Zeit eine Brücke schlägt in die deutsche Mainstream-Musikkultur. Das Album behandelt allerlei Themen, die so selten bis nie in deutscher Sprache zu Liedtexten verarbeitet wurden. Ihre Erzähltechnik ist sehr eigen, hält sich wenig an bis dato gängige Konventionen und schafft es jede Menge Authentizität zu vermitteln.

'Unbeschreiblich weiblich' behandelt das damals wie heute heikle Thema Abtreibung. Es ist bei der Veröffentlichung erst 7 Jahre her, dass die Stern-Ausgabe veröffentlicht wurde, in der 374, teils prominente Frauen offen sagten, das sie abgetrieben hätten. Ein Skandal, denn Abtreibung war verboten und passte nicht in die christliche Leitkultur. So progressiv das 1971 war, so verstaubt wirkt eine solche Aktion viele Jahre später. Nina Hagen gab dem ganzen mit 'Unbeschreiblich weiblich' eine persönliche Komponente, wie es nur mit solchen Artikeln garnicht möglich gewesen wäre.

Der Punk quillt dem Lied aus allen Poren - es ist die komplette Negierung gesellschaftlicher Standards. Wozu Kinder? Warum sollte eine Frau eine Verpflichtung dazu haben? Gegenüber wem? Eigentlich ist doch nur wichtig sein Leben zu genießen. Der Höhepunkt sind die letzten beiden Zeilen des Liedes - vor dem ersten Kinderschrei'n muß ich mich erst mal selbst befrei'n - Welch grandiose Zusammenfassung von sonst sehr sehr lang und kompliziert umschriebenen Erkenntnissen à la Simone de Beauvoir. Besser kann man es nicht ausdrücken. Und dann setzt dem Protest gegen die Konventionen die Krone auf mit dem Auspruch Augenblicklich fühl' ich mich unbeschreiblich weiblich. Das ist die genaue Antihaltung zur bürgerlichen Frauenrolle, und sie sagt damit unmissverständlich allen Zuhörerinnen, dass das Identitätsverständnis auch ganz anders sein kann, eben wie man selbst gerne möchte und nicht wie es die Gesellschaft in althergebrachten Strukturen festzurrt. Tja, die Nina war mal echt cool. Und, auf eine seltsam verschrobene Art ist sie das heute noch. Ich frag mich nur wo sie den Quatsch mit den UFOs her hat. Immerhin scheinen in ihrem Hirn jede Menge interessante Sachen vorzugehen - besser als gähnende Langeweile im Oberstübchen von Menschen, deren Weltbild schön geschlossen ist. Drei Jahre nach der Veröffentlichung des Albums kam übrigens Tochter Cosma Shiva zur Welt, und 2009 hat sich Madame Hagen taufen lassen. Wie gesagt, sie ist auf jeden Fall eine der interessantesten Persönlichkeiten, was man auch immer von ihren Aktionen im einzelnen halten mag. Übrigens war Nina Hagen in dieser Serie schon einmal Thema, wenn auch nur indirekt - nämlich als Besungene in Udo Lindenbergs 'Wir wollen doch einfach nur zusammen sein'.


Ich war schwanger, mir ging's zum Kotzen.
Ich wollt's nicht haben, mußte gar nicht erst nach fragen.
Ick freß' Tabletten und überhaupt, Mann,
Ich schaff' mir keine kleinen Kinder an.
Nein, nein, nein, warum soll ich meine Pflicht als Frau erfüll'n?
Für wen? Für dich? Für mich?
Ich hab' keine Lust, meine Pflicht zu erfüll'n.
Für dich nicht. Für mich nicht. Ich hab' keine Pflicht.

Als es vorbei war, ging's mir zum Kotzen.
Jetzt ist es Zeit, endlich mal aufzumotzen.
Ick freß' Tabletten und überhaupt, Mann,
Ich schaff' mir keine kleinen Kinder an.
Nein, nein, nein, warum soll ich meine Pflicht als Frau erfüll'n?
Für wen? Für dich? Für mich?
Ich hab' keine Lust, meine Pflicht zu erfüll'n.
Für dich nicht. Für mich nicht. Ich hab' keine Pflicht.

Marlene hatt andre Pläne. Simone Beauvoir sagt: "Gott bewahr!"
Und vor dem ersten Kinderschrei'n muß ich mich erst mal selbst befrei'n.
Augenblicklich fühl' ich mich unbeschreiblich weiblich.

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