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Mittwoch, 18. September 2013

Musik und Nebenwirkungen: Zuviel Extase – Die Festivalblase

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Den geneigten Konzertgängern wird es schon aufgefallen sein – das Musikfestivalwesen boomt. Es gibt Wochenenden, an denen man sich vor schierem Angebot kaum entscheiden kann. In Anbetracht dieses Überangebotes und der sich jährlich häufenden Bankrottmeldungen einiger (auch traditionsreicher) Festivals frage ich mich, wie sich jenes ungesunde Missverhältnis entwickeln wird. Wir kennen die Blasenbildung zu gut aus der freien Wirtschaft – wird ein Geschäft als lukrativ erachtet, steigt die Nachfrage und somit die Preise, bis sie völlig unrealistisch werden. Und wenn das der erste merkt heißt es rette sich wer kann, und wer nicht kann steht dumm da oder springt aus dem Hochhausfenster. Am Ende vom Bankrott-Lied haben ein paar Schlaue die Taschen voll, und der Rest die Mägen leer.

Wird es bei den hiesigen Festivals eine ähnlich tragische Wendung nehmen? Ich glaube nicht, denn amüsierfreudige Menschen sind eine Naturkonstante. Zweifelsohne ist das Angebot reichlich aufgebläht und es somit schwierig für die Veranstalter noch an große Namen zu bezahlbaren Preisen zu kommen, aber jedem Problem wohnt auch die Schönheit der Chance inne. In jenen Fällen die Chance für nicht allzu bekannte Bands nicht unbedingt nur vor einigen verstrahlten Gestalten unter der Mittagssonne zu spielen, sondern im Spotlight vorm bierseligen Mob. Das Problem ist offensichtlich, denn weniger bekannte Namen sorgen für weniger gute Ticketverkäufe und somit zu prekären Finanzierungssituationen (wir berichteten diesbezüglich z.B. über die Situation beim Horst-Festival). Die Fusionmenschen haben vor einiger Zeit aufschlussreich ihre Ausgaben offengelegt (interessanterweise nicht die Einnahmen), anhand derer man gut erkennt das selbst solche Institutionen nicht umhin kommen zukünftig viel schärfer zu kalkulieren. Das kleine No-Name-Festival in der Pampa hat freilich wenig mit diesem Aufwand zu tun, aber auch nur einige wenige hunderte bis ein paar Tausend Besucher, die nicht unbedingt bereit sind mehr als 25€ für den Spaß und minder bekannte Bands zu berappen. Das alles hält schon seit Ewigkeiten nur durch den Einsatz sehr vieler freiwilliger Arbeitskräfte zusammen.

Ein anderer Typus ist das häufig anzutreffende Umsonst und Draußen-Festival. Es wird bisweilen kritisch beäugt, da es einem Teil der Konzertgänger den Eindruck vermitteln mag dass das was dort passiert gratis sei. Dies mag bei einigen Menschen zutreffen, aber ein Großteil des Publikums nutzt solche Gelegenheiten einfach, obwohl es sich durchaus des Wertes der Kunst bewusst ist. Finanzielle Zwänge und mangelnde Möglichkeiten schränken allerdings das Zeigen der Wertschätzung durch Konzertbesuche stark ein, zumal die Kosten für Einzelkonzerte in den letzten Jahren drastisch gestiegen sind und damit die Lücke zwischen ihnen und dem Umsonst und Draußen-Konzert immer größer wird. Unter diesem Aspekt könnte man die verbreitete Umsonst und Draußen-Kultur kritisch betrachten und zugunsten der Künstler und sonstigen Festivals eindämmen wollen, aber ich sehe die Möglichkeit kostenlos Konzerte erleben zu können als wertvolle kulturelle Teilhabemöglichkeit für alle. In Zeiten der prekären Beschäftigungen und Hartz IV-Würdelosigkeiten sind diese Möglichkeiten für viele Millionen Menschen unerträglich stark eingeschränkt – ein Konzert für 20 oder 30€ wird zum kaum erschwinglichen Luxusgut.

Was ist der Ausweg aus dem Dilemma? Natürlich eine Revolution inkl. Überwindung des Kapitalismus, aber wenn das widererwarten nicht in den nächsten Wochen stattfindet, weil die kritische Masse im Zweifelsfall doch eher für Katzenbildchen zu begeistern ist, müsste man über einen Plan B nachdenken. Eine Möglichkeit der Blasenbildung entgegen zu wirken ist zum Beispiel Kostentransparenz. Wenn Leuten klar wird was das alles kostet und das sie es ja im Grunde trotzdem alles bezahlen, wirkt das der Geiz ist geil-Mentalität vielleicht etwas entgegen. Viel wichtiger ist allerdings, dass sich niemand der Beteiligten zu Dumping-Löhnen/Gagen verkauft. So schön der Auftritt für eine Band sein mag, aber eine Gage gehört einfach dazu. Das sollte eine Selbstverständlichkeit sein und eine Art Auszeichnung. Genauso wie Firmen mit FairTrade und guten Löhnen Werbung machen, kann auch ein Festival mit anständigen Gagen Werbung machen. Die Veranstalter stehen nicht außerhalb des Geldkreislaufes, und stecken somit genauso in der Zwickmühle wie auch ein großer Teil der Bevölkerung, aber wenn wirklich die Kunst und das gemeinsame Erlebnis im Mittelpunkt stehen, sollte es zumindest viele Nischen geben. Nicht für alle, aber die Festivalblase muss nicht mit einem großen Knall platzen. Geschäftemachern bleiben die großen Namen, Genießern bleiben die wenig bekannten Nischen, und wer sich nicht entscheiden kann bleibt eventuell auf der Strecke, weil die Konkurrenz so riesig ist.

An anderer Stelle merkte ich bereits an, Kultur ist ein Grundbedürfnis wie Wasser und Strom, und sollte die gleiche politische und finanzielle Aufmerksamkeit erfahren, und gehört zur allgemeinen Menschenwürde. Wenn allen Menschen, auch denen ohne auskömmliche Lohnarbeit, diese in Form ausreichender Unterstützung zugestanden würde, wäre dieses Land ein ungleich lebenswerteres, und um die Millionen Festivals müsste man sich auch keine Sorgen mehr machen.

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