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Mittwoch, 29. Juni 2011

Kleinode deutschsprachiger Musik (9): Gustav - Soldat_in oder Veteran (2008)

2 Kommentare :
In einer losen Serie stelle ich Werke vor, die vordergründig eines gemeinsam haben: Sie wurden in deutscher Sprache verfasst. Das alleine ist natürlich keinerlei Qualitätskriterium. Nein, mich interessiert ein kreativer Umgang mit selbiger.

Gustav
Die Sache mit dem politischen Lied ist ja immer etwas heikel. Die allermeisten Textdichter verrennen sich dann doch in Allgemeinplätze, starke Verkürzungen und im besten Falle noch nett zu gröhlende Parolen. 

MACHT KAPUTT WAS EUCH KAPUTT MACHT!

So, das ist jetzt auch gesagt, und es ist ja nicht einmal eine schlechte Sache, bringt es doch komplexe Dinge manchmal einfach auf den Punkt. Wem allerdings nach mehr Input intellektueller Strickung dürstet, der muss sich nach anderen Bands umsehen.
Als erstes schießen mir natürlich Die Goldenen Zitronen in den Kopf - schließlich werden ihre Alben seit 20 Jahren von mal zu mal komplexer und kryptischer, aber eben auch lyrisch anspruchsvoller und differenzierter. Ob man sich das auf Albumlänge schmerzfrei anhören kann ist die andere Sache. 
Eine Künstlerin, die sowohl Hörbarkeit als auch Komplexität bestens miteinander vereinen kann ist Gustav - im wahren Leben Eva Jantschitsch aus Wien. Sie hat bisher 2 Alben veröffentlicht, die beide großartig sind und einen staunend zurücklassen. Soldat_in oder Veteran ist für mich sowas wie das Schlüsselstück des zweiten Albums Verlass die Stadt von 2008.

Ist das die Lüge, die Lüge "Individualität"?
Ist es der Widerspruch, der einfach nicht zu leben geht?
Hemmt dich die Angst vor dem nächsten unaufhaltsamen Verlust
oder dein Alter, der Klassenkampf, der Börsensturz?
Hast du dich denn noch immer nicht entschieden
zwischen angepassten und aussätzigem Leben,
willst du denn warten bis die nächste große Blase platzt, 
ist es nicht offensichtlich, wer hier warum wen befragt?

Jetzt ist also dein Körper, dein Körper die Fabrik,
reproduzierst du was begehrt wird oder lieber nur dich? 
Dient dir der Dampf als Antriebstkraft
oder ist es gar Leidenschaft?

Erschöpft? Ach was, es fängt gerade erst an.
Bist du Soldat_in oder Veteran?
Hat dich die Wucht der Veränderung denn überrascht?
Ist das die Abnützungserscheinung deiner Urteilskraft?
Hält dich die Lage für stabil, hälst du dein sicheres Gefühl,
wenn ja ist der Aderlass von eben jenem nicht auch dein Gewinn.

Sprichst du von Aufbruch oder von Untergang,
zäumst du von hinten oder gehst du's gern von vorne an? 
Wenn du träumst, träumst du dich als wiederständiges Subjekt, 
hälst du die Art der Fragestellung für zu unkonkret?
Ist das Versuch und Irrtum?
Ist das der Schlag?
Oder ist das schon die Wirkung?
Denkst du, du verdienst die bessere Zukunft,
verdienst den helleren Himmel und wohlmöglich auch (sag schon!) 
auch die besseren Bedingungen.
Was empfindest du beim Klang des Wortes "Bio-Politik",
triffst du die potentiellen Partner bei John Harris oder Chez Monique?

Gingen wir richtig in der Annahme dass die Vereinzelung verzweifelt?
Dass die verinnerlichten Sichten stets an Verkörperungen scheiterten?
Ja - hier wird Fleisch zersetzt, hier werden Knochen freigelegt
und wenn du nicht kooperierst, dann werden sie abgesägt.
Dein Kapital sei also folglich die Zerrissenheit.
Meinst du, dass diese dich von unser aller Pflicht befreit?
Nein, niemand wird hier ausgespart und jede kalkuliert,
und du hast nur zu fragen wenn mich die Antwort interessiert.

Also: wessen Schuhe ziehst du an ?
Bist du Soldat_in oder Schizopunk ?
Im Ausnahmezu-, oder besser, diesem Zustand
völlig durchdrungen und kein Außen in Sicht.
Statistische Wahrscheinlichkeit als Haltegriff ist alles was dir bleibt, Madame.
Auskunft oder an die Straße oder Mittelstand oder Stichprobenfehler und eingestampt.
Ist das die Simulation oder gilt das schon?
Klagst du oder greifst du an?
Bist du Soldat_in oder Veteran?

Es hinterfragt auf sehr eindringliche Art die ideologischen Verhaltensweisen des Hörers. Man kennt das, die Ansprüche haben mit der Realität oft nicht viel gemein, und da ist die Frage natürlich berechtigt, ob dass nur so sein kann oder man es sich nicht doch einfach zu bequem macht. (wo ich sie schon erwähnte, auch die Zitronen haben ein in ihrer etwas unzugänglicheren Art wunderbares Stück zum Thema: 'Widersprüche')

Die Musik unterstreicht auf eine Art den Inhalt, wie es nicht passender sein könnte. Sie hat immer was vorantreibendes, wechselt aber ähnlich schnell ihr Tempo, Rhythmus und Instrumentierung (nennt man das so bei elektronischer Musik? Mir verschließt sich das Themengebiet bis heute weitesgehend...) wie Gustav ihre Betrachtungswinkel auf die persönliche Zerissenheit.
Am Ende stehen wir da und fühlen uns mal wieder - zurecht - durchschaut; und im besten Falle denken wir etwas öfter an diese ganz grundsätzlichen Fragen bei dem, was wir so jeden Tag tun.

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