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Dienstag, 10. Mai 2016

Bastian Wadenpohl - Griesgramgrüße aus dem Gartencafé

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Die gute alte Liedermacherei kann viel bieten. Bard*innen berichten aus ihrem Soziotop, das uns meistens vertraut scheint, aber doch einen ganz eigenen Mikrokosmos zur Schau stellt. Im vorliegenden Album Griesgramgrüße aus dem Gartencafé erwartet uns nicht die dem Titel nach zu befürchtende Hölle alliterierender Wörter. Vielmehr ist der Reimkunst, entsprechend der Erwartungshaltung ans Liedermacher*innentum, in diversen Variationen reichhaltig Genüge getan. Die Form allzu ausschweifend zu beschreiben erscheint allerdings müßig. Meistens bleibt Bastian Wadenpohl alleine mit Stimme und akustischer Gitarre. Die drei Ausnahmen lockern das Album etwas auf, und Auflockerung braucht das Genre am allermeisten.

Bastian Wadenpohls Mikrokosmos heißt Wuppertal, früher mal Monheim, wie dem Steckbrief zu entnehmen ist. Seine Lieder sind allerdings in den meisten Fällen in einen urbaneren Rahmen übertragbar. Vor allem 'Straßenbahnromanze‘ erzeugt dieses stickige Bild der Zombies und sozial Abgehängten im Öffentlichen Personennahverkehr, die oft kaum mehr wahrgenommen werden. Hier finden sich zwei von ihnen, und der Kitschfaktor ist einigermaßen hoch („Dank der [Vollbremsung] flog sie in seine ratlosen Arme, und quasi augenblicklich was das Leben wir im Pilcher-Roman.“) Es muss kritisch festgehalten werden, das mit „quasi“ und „Pilcherroman“ zwei der schlimmsten Wörter der deutschen Sprache in einem Satz verwendet werden. Noch dazu zündelt der Sänger im Lied mit dem Höllenwort „Griesgramgruppenbild“ gefährlich mit dem schon erwähnten Alliterationsfeuer. Es bleibt allerdings glücklicherweise eine Ausnahme, denn ansonsten müsste ein Wuppertaler Barde mit einem Wörterbuch verhauen werden. Außerdem holt er mit der lyrischen Antipode 'Kleine Stadt‘ die Kleinkunstkohlen wieder aus dem Keu...Feuer. Wie alle Themen ist auch das der Kleinstädterei ein beliebtes, völlig zu recht und immer wieder mit Hachja-Moment. An Bernd Begemanns 'Deutsche Hymne ohne Refrain‘ kommt im deutschsprachigen Kosmos eigentlich kaum etwas heran, aber 'Kleine Stadt‘ hat viel Schönes.

Sag, kleine Stadt, wo sind die Freaks?
Das sind die, die du vertreibst, weil jeder Clown die Krise kriegt, wenn du vor Vergnügen kreischst.
Ja, kleine Stadt, wo sind die Freaks?
Nur Bürgersülze weit und breit, im Schützenheim rülpst einer „Peace“, die nächste Petze steht nie weit.

Ach kleine Stadt, ich glaub der Nebel in dem du so gern liegst, der strömt den Menschen aus den Por‘n.
Karneval trägt Herr Schmitz Säbel.
Vorsicht, antik, wie der Rest der Uniform.

Neben etwas Selbstmitleid hier und da bietet das Album diverse vortreffliche Momente. Das entschleunigend lethargische Faulenzlied 'Noch immer nichts getan‘ („Und sing 'nen Abgesang auf allen Tatendrang, lehn mich ein Stück weit zurück und mach den Stuhl zum Untertan, und da der Neuanfang wohl auch noch warten kann, hab ich noch immer nichts getan.“) gesellt sich zum bettmenschig lethargischen Faulenzlied 'Bis die Matratze streikt‘ („Sag ihr, ich lieg im Bett und streike, und furz die Laken voll, und wälz mich auf die Seite.“) Ein schönes Paar, die Lieder. Ein anderes schönes Paar sind 'Für mich nicht‘ und 'Am Rhein‘. Sie finden sich in der Ungreifbarkeit von Realität. Ersteres ist eine Verweigerung von Eskapismus im eigenen Leben im Spagat mit der Nichtakzeptanz der kapitalistischen Realität, während 'Am Rhein‘ sehr gelungen die Problematik der eurozentristischen Perspektive auf globale Tragödien thematisiert - wer entspannt am Rhein sitze, mag nicht in der Lage zu sein sich Krieg und Hunger vorstellen zu können. Das ist so wahr wie unbegreiflich, welches Glück darin liegt beim Geburtenlotto sechs Richtige mit Zusatzzahl gezogen zu haben. Mit dem Gedanken sollten wir an dieser Stelle innehalten, die kleinen und großen Dramen des besungenen Kosmos in Relation zu echtem Elend setzen, und die Leichtigkeit genießen, mit der Bastian Wadenpohl entgegen des ersten Eindruckes dieses Album füllt. Anfänglich durchdrang eine Schwere die Worte und die Stimme, aber nach mehrmaligem Durchlauf weicht das immer weiter auf.

Griesgramgrüße aus dem Gartencafé erscheint am 24.06.2016 bei RETAP. Alle Infos unter bastian-wadenpohl.de



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