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Freitag, 2. Januar 2015

Erlebnisbericht: Neujahrsgala der Volksbühne 2015 mit Britta und Gästen

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Britta 2014 ©Ralf Metzler

Rückblick I: 1914

Die Errichtung der Volksbühne im Jahr 1914 schuf einen wichtigen Freiraum für Kunst, als Alternative zum etablierten Theaterbetrieb. In den folgenden einhundert Jahren hat die Volksbühne für Berlin und die Kunst im Allgemeinen viel geleistet, und bietet weiterhin progressive, hochkarätige Aufführungen zu sehr erschwinglichen Preisen. Die damalige Investition in dieses Haus war eine der besten und nachhaltigsten Ideen, die in Berlin jemals umgesetzt wurden.


Rückblick II: 1. Januar 2003

Die Tradition des Neujahrskonzertes hat sich in der Volksbühne etabliert – ein verkaterter, charmanter Abend, der jedes Jahr von Musiker*innen jenseits des großen Mainstreams organisiert wird. Seinerzeit hatten beispielsweise bereits Die Sterne oder die Bolschewistische Kurkapelle Schwarz-Rot die Ehre, sich weitere Gäste einzuladen und so den ersten Tag des neuen Jahres in Empfang zu nehmen. Den Jahresbeginn 2003 durften Britta gestalten.

Der damals sehr aktiven Band scheint dies überaus gut gelungen zu sein, immerhin war die Volksbühne ausverkauft. Diesen Erfolg hätte man der Band auch außerhalb des Neujahrskonzertes gewünscht, doch leider kam er nie. Als knapp zwei Jahre später Britta Neander, Schlagzeugerin und Namensgeberin, verstarb, besiegelte diese Zäsur den schleichenden Abgang jener so großartigen Band.


Rückblick III: 6. Mai 2006

Ich bin im Gleiss22 in Münster, und warte mit nicht allzu viel anderen Leuten auf Britta. Vorband sind irgendwelche Jüngelchen namens Ja, Panik, die ihr erstes Album spielen. Warum genau ich eigentlich dort war, weiß ich nach neun Jahren nicht mehr. Was ich noch weiß ist, wie sehr mir Ja, Panik gefallen haben, und wie großartig ich Britta und vor allem Christiane Rösingers Bühnenpräsenz fand. Dieser Abend hat meinen Musikgeschmack äußerst nachhaltig beeinflusst. Mir war am 6. Mai 2006 sicherlich nicht klar, welche gewichtige Rolle jene Künstler*innen in meinem Leben in den nächsten zehn Jahren einnehmen werden. Von da an gab es Ja, Panik öfters zu sehen, mit einer höchst erstaunlichen Entwicklung. Im Gegensatz dazu haben sich Britta rar gemacht, und in Konzertform tauchten die Lieder von Christiane Rösinger bei mir erst wieder ab 2010 mit der Flittchenbar auf. Wenig später hatte sie diesen überaus tollen Durchbruch als Solokünstlerin, doch das Format Indieband à la Lassie Singers und Britta schien sehr weit weg zu sein. Zwar schätze ich sie auch als Solokünstlerin sehr, doch die Bands hätte ich wirklich gerne einmal (wieder) gesehen.




Rückblick IV: 1. Januar 2010

Es ist Neujahrskonzert in der Volksbühne, und als Gastgeber darf sich Olli Schulz betätigen. Für solcherlei Aufgaben ist er natürlich eine prima Wahl, doch das Programm hangelt sich entlang an eher mäßig überzeugenden Musiker*innen. Das Streichquartett bewahrt den Abend vor kompletter Mittelmäßigkeit, und Elke Brauweiler setzt mit dem einzigen Lied, das sie singen darf, einen Höhepunkt. Als eine Art Hangover geht diese sehr Max Herrige Veranstaltung schon in Ordnung, aber für die nächsten Jahre bin ich abgeschreckt und nicht mehr Willens Eintritt für die jeweiligen Akteure, welche jeweils als erste das neue Jahr musikalisch beginnen lassen dürfen, zu bezahlen.


Gegenwart: Neujahrsgala in der Volksbühne – 1. Januar 2015

Tatsächlich, es stehen Britta auf der Bühne, und sie sind so gut wie neun Jahre zuvor. Sie spielen Lieder, die ich aus der Konserve über die vielen Jahre ins Herz geschlossen habe, und wirken als wären sie eine ganz normal tourende Band, und nicht von den Untoten auferstanden.

Der Abend war ein sehr spezielles Erlebnis für mich, denn das Programm wartete eigentlich ausschließlich mit Leuten auf, die ich sehr schätze. Allen gemeinsam war der mehr oder minder fahrige Charme des Zustandes 20 Stunden nach der Silvesterparty. Selbst diejenigen, die betonten zu Hause geblieben zu sein, schienen doch eher auf Improvisation zu setzen. Während es Julia Wilton (Pop Tarts) noch schwer hatte das Publikum zu erreichen, war spätestens mit dem fantastischen Auftritt von Masha Qrella das Eis gebrochen. Meinen Favoriten ihres Repertoires, 'Fishing Buddies', spielte sie zwar nur 10 Sekunden lang, bevor sie sich lieber für ein anderes Lied entschied, aber ihre Bühnenpräsenz hat mich nachhaltig von ihr überzeugt.

Peter Thiessen (Kante) ließ es sich nicht nehmen den größten Kante-Hit zu spielen, doch das Highlight seines Auftritts war 'Wenn ich mir was wünschen dürfte' im Duett mit Christiane Rösinger.

Jens Friebe begleitet mich ca. seit 2005, und selten passte er so gut zu Publikum und Anlass wie an diesem Abend. Seiner Ankündigung, ein 30-strophiges Lied über den Tod zu spielen, folgte ein allgemeines Schmunzeln, und dann ein 30-strophiges Lied über den Tod. Ein Abend wie dieser ist eine der wenigen guten Gelegenheiten, an denen sich ein Publikum bereitwillig auf Überraschungen einlässt, und es sogar honoriert.

Durch den Besuch der Flittchenbar im Dezember wusste ich bereits um die verblüffende Überzeugungskraft vom Duo Strawberry Kaeyk. Sie mögen im Erscheinungsbild eher der sehr glitterigen Travestie entsprechen, doch Darbietung und Liedauswahl geben ihren Auftritten eine sehr eigene Ausstrahlungskraft durch gleichzeitige Ernsthaftigkeit und Klamauk. Als Abschluss waren sie perfekt ausgewählt. Frau Rösinger hat wie immer erstklassig kuratiert.

Die Jubiläums-Neujahrsgala hat sich von ihrer allerbesten Seite gezeigt, war für mich eine Zusammenführung vieler geliebter Künstler*innen an einem wundervollen, geschichtsträchtigen Ort, und legt die Messlatte für die künftigen Jahre ehrlicherweise fast unerreichbar hoch. Ich finde, die Schönheit der Gala liegt zwar auch im jährlichen Wechsel der gastgebenden Künstler, aber vielleicht sollte doch darüber nachgedacht werden das Feld Christiane Rösinger dauerhaft zu überlassen.

Meine Britta-CDs sind derweil auf Dauerrotation, und ich würde mir wünschen diese fantastische Band noch ein paar mal erleben zu können. Vor allem will ich auf die nächste Gelegenheit nicht wieder neun Jahre warten müssen – 2024 ist ja doch noch eine Weile hin.



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