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Dienstag, 7. August 2012

Der Fall Pussy Riot - Yes we can!

1 Kommentar :
Keine Pussy
Hat wer gesagt Punk sei tot? Die Wahrnehmung ist verständlich, ist doch Punk hierzulande ein seniler alter Rentner geworden, zumindest wenn man das an Bands (und deren zugehörigen Fans) misst wie den Hosen, Slime, Broilers, Dritte Wahl etc. Es gibt feste Regeln, Rituale, Wiederholungen – also mindestens soviel Konservatismus wie in der CDU. Alles das, was er am Anfang nie sein wollte. Das schöne am Begriff 'Punk' ist aber, dass es keine feste Definition gibt. Man kann sogar soweit gehen und sagen, dass die die behaupten 'Punks' zu sein per se deshalb schonmal keine sein können.

Für mich z.B. war Blumfeld mitunter Deutschlands beste Punkband. In den 90ern bekannt und bei vielen beliebt für Sprechgesang, sperrige Instrumentierung und anspruchsvolle diskursive Texte, veröffentlichten sie nach 5 Jahre Pause das Album Old Nobody mit der ersten Single 'Tausend Tränen tief'' – eine poppige Liebesschnulze. Das war mutig, und es war Punk für mich. Ähnlich geht es mir mit den Goldenen Zitronen. Sie haben mit dem gebrochen, was Konservative unter Punk verstehen und sind es für mich erst dadurch geworden. Die Alben werden immer sperriger, da die Komplexität der Texte ständig zunimmt und der Drang immer neues auszuprobieren deutlich zu erkennen ist.. Man sieht eine Entwicklung und nicht das Verharren auf altbewährten Bausteinen wie bei oben genannten Beispielen.

Wie kommt es, dass klassischer Punk so gesetzt geworden ist? Mangelt es an Feindbildern? An Energie? Ich wage zu behaupten es liegt vor allem daran, dass es alles in allem den Menschen in den Industriestaaten einfach gut geht. Natürlich, es gibt jede Menge first world problems, aber wir dürfen nicht verkennen – auch den ärmsten in Deutschland geht es besser als 95% der Weltbevölkerung. Wenige machen sich das regelmäßig bewusst, aber alle spüren es unterbewusst. Deswegen gröhlt man gerne mal mit gegen Nazis, Atomkraft und das ungerechte Weltwirtschaftssystem, aber wenn es um mutige Aktionen geht wird die Luft dünn. Erst wenn unangenehme Sachen für den Einzelnen spürbar sind steigt der persönliche Druck.



Pussy Riot haben in einer mutigen Aktion bewiesen, dass eine radikale Herangehensweise immernoch bitter nötig ist, ganz besonders wenn es darum geht Grundrechte zu erkämpfen. Die Aktion in der Kirche war eigentlich nicht der Rede wert, aber was der repressive Staat daraus macht schlägt hohe Wellen. Ich weiß nicht inwiefern sie die Folgen vorher überschaut haben, denn die persönlichen Konsequenzen sind mindestens mittelfristig verheerend. Das perfide ist ja, je stärker die repressive Haltung Russlands, desto größer ist die erzielte Wirkung. Sie haben ein großes persönliches Opfer geleistet, um auf die menschenverachtenen Umstände im Putin-Russland aufmerksam zu machen. Es hat funktioniert, und es wird im Gedächtnis bleiben. Ich bin mir sicher, so schlimm die Situation für sie momentan sein mag – langfristig werden sie hoffentlich froh sein es gemacht zu haben.

Ich kann mir keine Woche im Gefängnis vorstellen. Ich glaube ich würde schon nach wenigen Tagen durchdrehen, erst recht wenn man sich vorstellte völlig zu unrecht gefangen zu sein. Nutzen wir diese himmelschreiende Ungerechtigkeit, die den drei Musikerinnen widerfährt als Chance. Solange sie sitzen generiert das Öffentlichkeit, und es gibt nichts was ein Regime mehr scheut als die öffentliche Bloßstellung von staatlichem Fehlverhalten.

Irgendwie ist es beruhigend, dass so eine Aktion in Deutschland im medialen Nichts verebben und mit ein paar Euro für eine Ordnungswidrigkeit beendet würde. Andererseits, wenn ich hier an die nicht hinnehmbare Macht der Kirchen denke wäre eine radikale Protestaktion dagegen mehr als angebracht. Eine Kirche 'entweihen' ist in Deutschland eher langweilig, auch wenn das Geschrei natürlich groß wäre. Ein Anfang wäre immerhin, wenn endlich mal jede/r austreten würde, der das eigentlich nicht ernst nimmt. Dann bleibt nicht viel übrig und die Macht schwindet. Es wäre dringend nötig, wir haben 2012 und nicht 1806. Bitte austreten. Danke.


1 Kommentar :

  1. Traurig, dass das in Russland plötzlich so eine große Sache ist. Da vermisst man den Atheismus der Sowietzeit.

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