Tante Pop

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Die Abenteuer der Tante Pop 2011-2016. Powered by Blogger.

Montag, 29. Februar 2016

Kitty Hoff - Plot Point Sieben

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Bei Jazz und Chanson wagen wir uns auf bei der Tante Pop selten betretenes Terrain, bar des gebotenen Fachvokabulars. Aber, hinterm ausgelatschten Pfad des eigenen Musikhorizonts geht es natürlich weiter, wie schon der Lindenberg einst sang, also sinngemäß.

Im Grunde ist alles Pop, und aus der Perspektive schauen wir mal auf das neue Kitty Hoff-Album Point Plot Sieben (Spoiler: „42“ und „Drehbuchkonzept“ sind die Antworten auf die Frage nach dem Sinn des Albumtitels).

Für die Band um Kitty Hoff gilt bezüglich des musikalischen Horizonts ähnliches – 'Was ich will (Oumpa 2)' steht kurz davor eine 1a Diskonummer zu sein. Eigentlich fehlt nur noch die sphärische Stimme im 70er Stil (liebe Remixer*innen…). Musikalisch ist die Bemühung um Abwechslung hörbar, denn in den 48 Minuten sind ausgedehnte Instrumentalteile, aber auch geraffte Momente zu hören. Es hält sich zwischen den präsenten Bläsern, Rasseln, Piano und Orgeln gut die Waage. Shuffle-Menschen entginge (wie so oft) ein Album, das als solches am Stück erhört werden sollte.

Inhaltlich bewegen sich die Texte zum Beispiel im dankbaren Feld der Zweisamkeit. Mal irreparabel gestört ('Konjunktiv'), mal glücklich verklebt ('Zusammen'). In 'BonnieundClyde' folgt die beim Titel erwartbare heroische Pärchenfluchtfantasie, die in der ersten Strophe ganz putzig mit einem der schwerwiegensten Verbrechen beginnt, nämlich dem Schwarzfahren.

Wer sich unter anderem 'Jazz' als ein musikalisches Label aufdrückt, und dann auch noch mit 'Jetzt oder nie' auf die in diesem Feld gern als 'Jazz oder nie' genutzte Bezeichung für Jamsessions anspielt, läuft akut Gefahr der Muffigkeit bezichtigt zu werden. Das so betitelte Lied über bleiernden Stillstand und dem Wunsch nach Aufbruch entgeht der Falle zum Glück.
„Jetzt oder nie, Herz und Mund und Tat und Leben, ab morgen wird’s von mir ein nagelneues Update geben. Ja!“
Antipodisch dazu verhält sich 'Wo nichts ist', das sich der Apathie verschrieben hat.
„Je suis plongée dans la prairie, in perfekter Apathie.
Ohne Texte und Tamtan, niemand rennt und nichts kommt an.
Tief im Vakuum der Zeit und zu keinenm Sprung bereit.“
Und wiederum passend dazu nörgelt 'Richtig und falsch' über die doofen doofen Wahlmöglichkeiten im Leben. Weg damit. Wozu gibt es Maschinen? Die sollen entscheiden. Halt, Moment. Das machen sie ja bereits im erheblichen Maße für uns, Stichwort 'Filterblase'. Die hätte als zusätzliche Strophe ganz gut in 'Was ist dran' gepasst, ein Lied über die von uns allen geteilte Verwirrung ob der sozialen Medien und ihre Wirkung auf unser Miteinander.
„Surfen ist schön zwischen Bloggertürmen und Fäkalienstürmen.
Wir können es seh'n: das Ganze ist die Freiheit pur ohne Gesetz und Treueschwur.
Wählen ist schon zwischen Profilegsichtern und neuen Liebeslichtern.
Wir woll'n es seh'n wie einen großen Märchenwald, doch werden wir so langsam alt…
Was ist dran an all den Netzten, in die wir selbstverständlich fall'n, denn wir woll'n Teil sein von uns allen.
Was kommt dann nach Fallgesetzen, wenn wenn wir am Ende einsam sind?“
In diesem Sinne mit Peter Lustig: „Und jetzt: Abschalten!“

(Ok, das Album kann gerne noch eine Runde drehen…)



Freitag, 26. Februar 2016

Video des Tages: "Kleiner Wertekanon" von Illute

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Ab und an finden wir Trost in Liedern. In diesen Tagen, in denen sich die Frage stellt, ob es vielen Menschen in Mitteleuropa zu lange zu gut ging, und sie deswegen ihre Empathie und die hart erkämpfte Aufklärung mangels ganz realer Erfahrungen gegen Kaltherzigkeit und Primitivität getauscht haben, brauchen wir auch Trost in Liedern. 'Kleiner Wertekanon' von Illute ist so ein kleines Stück Trost. Uns geht es genauso wie ihr, nur hat sie es geschafft den Gedanken in ein schönes Lied zu verpacken.

Das Stück findet sich übrigens auf dem gelungenen Album So wie die Dinge um uns stehn aus dem Jahr 2014.

Dienstag, 23. Februar 2016

Funkelnagelneu: "Out of Control" von Lush

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Derzeit verlassen uns leider einige Größen der Popmusik, aber andere tauchen überraschend wieder auf. Schon die eigentlich sehr abwegige Reinkarnation der Violent Femmes versetzte uns in höchste Vorfreude. Nun sind also auch Lush tatsächlich wieder da, mit Tour, neuer EP und bald neuem Album. Vor 20 Jahren fand die Band ihren Höhepunkt und ihr Ende, und wir sind bis aufs Äußerste gespannt auf das, was nach 20 Jahren Bandpause entstanden ist. Hier nun das erste musikalische Lebenszeichen, das Musikvideo zum Titelstück der neuen EP Out of Control.

Freitag, 19. Februar 2016

Gratismusik: "Größte Treffer II" von Angelika Express

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Einst wurden spärliche 12 Titel unter dem Namen 'Größte Treffer' gratis zur Verfügung gestellt. Jetzt gibt sich die auch an physischer Masse stetig zulegende Band spendabler (also sie werden mehr, nicht dicker, glaube ich zumindest). 35 Lieder sind im Paket, ganz frei zur privaten Verwendung nach Belieben.
Der geschenkte Gaul ist natürlich genügsam, freut sich aber sicherlich darüber mit monetären Brotkrumen gefüttert zu werden.

Im Herbst 2016 erscheint übrigens das neue Album Alkohol. Sollte es wieder die supermegadeluxelimitiert-Auflage geben, lohnt es sich bereits jetzt monatlich ein paar Euro in die Angelika-Spardose zu stecken. Jene Version des 2012er Albums Die feine englische Art wurde jedenfalls ein monolithischer Trumm mit gigantischen Ausmaßen, der seitdem die anderen Angelika Express-Platten im Plattenregal zerquetscht.

12 Lieder, gut. 35 Lieder, besser. Aber um der Band den richtigen Weg zu Größte Treffer III zu weisen, hier eine kleine Aufzählung: 'Ich bring dich besser um', 'Nico Päffgen', 'Damals im Weltraum', 'Lebenslänglich Beatles', 'Mutti war Berufssoldat', 'Zeitmaschine', 'Tagtraum', 'Die lachende Munition', 'Deine Arbeit', 'Liebeslieder gegen die Regierer', 'Platte für Platte', 'Tal der Freuden'


Dienstag, 2. Februar 2016

Ashia Bison Rouge – Odɘr

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Für Konzeptalben gilt mehr als für jedwede andere Gattung: Geschmackssache. Solche Versuche können ordentlich in die Hose gehen. Ashia Bison Rouge legt allerdings eine gelungene Variante vor. Genauer gesagt heißt das Konzept 'Oder'. Richtig, der Fluss.

Ihm folgt das Album von der Quelle bis zur Ostsee. Ashia Bison Rouge erkundet ihre slawischen Wurzeln auf einer Entdeckungstour entlang des Laufes. Das Spannende an dieser Stunde musikalischer Flussfahrt ist die Uneinortenbarkeit in ein Genre. Mit einem Cello als Soloinstrument, oft begleitet durch eine Violine, verfällt das Album an einigen Stellen in Kammermusik. Die eindringliche, markante Stimme gibt dem ganzen Werk aber einen entgegengesetzten Dreh, der es auch wieder Pop, Folk, oder Blues, oder alles gleichzeitig sein lassen kann. Im Grunde ist es natürlich völlig unwichtig, denn was bei Konzeptalben zählt ist die Konsistenz. Es kann guten Gewissens gesagt werden, dass der Flusslauf an den Liedern nachvollziehbar ist. Gemeinerweise sind die Klischeebilder der Gegend in vielen Köpfen wohl die von einem äußerst dünn besiedelten Landstrich, dessen spärliche Besiedlung vor allem aus trotzigen und möglicherweise schrullig konservativen Einheimischen besteht. Solche Klischees müssen unterminiert werden, denn wer sich nicht auskennt, hat nichts zu melden. Zwar lässt das Album eben jene Vorurteile nicht unbedingt zu, doch mutet die bisweilen sehr getragene Vertonung nostalgisch an, entrückt von einer modernen, immer schneller rotierenden Welt.



Überhaupt, 'getragen' scheint ein angemessenes Wort zu sein. Auf dem Ganzen liegt eine Schwere, viel Moll, das nur an wenigen Stelle durchbrochen wird, beispielsweise wenn unvermittelt eine Ukulele einsetzt. Schon das zweite Lied 'Dig in Our Roots' klingt äußerst bedrohlich, als sollte hier ein Drama erzählt werden. Diese Stimmung dominiert das Album, unterbrochen von eher helleren Minuten wie 'We Travelled Above' oder das auffällig ukulelenlastige und sirenengesangsartige 'My Rock', in dem die Sirenengesänge des nahen Berlin sie in ihre Fänge, ins „dunkle, trübe Berliner Gewässer“ lotsen. Und, es funktioniert, die Sirenen gewinnen. Das Lied 'Villa Rixdorf' beweist es, und Rixdorf ist Teil von Neukölln, und das liegt nun wirklich nicht an der Oder. Die im Lied aufdringliche Ukulele passt ganz gut zu Berlin, denn hier gibt es jede Menge aufdringliche Ukulelen (was aber ganz schön ist). Die Reise hat mit 'Open Page' ein offenes Ende - und ein recht pathetisches. Es ist das Bild der unbeschriebenen Seite im Herzen, die bereit ist noch gefüllt zu werden.

Welches Werk erscheint vorm geistigen Auge, wenn an das Konzept 'vertonte slawische Flussfahrt' gedacht wird? Genau, und deswegen lassen wir einfach Bedřich Smetana zu Wort kommen, wie er selbst 'Die Moldau' kommentiert:
„Die Komposition schildert den Lauf der Moldau, angefangen bei den beiden kleinen Quellen, der kalten und der warmen Moldau, über die Vereinigung der beiden Bächlein zu einem Fluss, den Lauf der Moldau durch Wälder und Fluren, durch Landschaften, wo gerade eine Bauernhochzeit gefeiert wird, beim nächtlichen Mondschein tanzen die Nymphen ihren Reigen. Auf den nahen Felsen ragen stolze Burgen, Schlösser und Ruinen empor. Die Moldau wirbelt in den Johannisstromschnellen; im breiten Zug fließt sie weiter gegen Prag, am Vyšehrad vorbei, und in majestätischem Lauf entschwindet sie in der Ferne schließlich in der Elbe.“ - Wikipedia zu 'Die Moldau'
Ungefähr so, mit anderem Flussnamen und anderen Städten, hätte diese Albumzusammenfassung auch formuliert werden können. Wer Cellos, Violinen, eine ausdrucksstarke Stimme und Wasser mag, ist hier richtig und sollte Odɘr erwerben.

Alle Infos unter ashiabisonrouge.com