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Dienstag, 2. Februar 2016

Ashia Bison Rouge – Odɘr

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Für Konzeptalben gilt mehr als für jedwede andere Gattung: Geschmackssache. Solche Versuche können ordentlich in die Hose gehen. Ashia Bison Rouge legt allerdings eine gelungene Variante vor. Genauer gesagt heißt das Konzept 'Oder'. Richtig, der Fluss.

Ihm folgt das Album von der Quelle bis zur Ostsee. Ashia Bison Rouge erkundet ihre slawischen Wurzeln auf einer Entdeckungstour entlang des Laufes. Das Spannende an dieser Stunde musikalischer Flussfahrt ist die Uneinortenbarkeit in ein Genre. Mit einem Cello als Soloinstrument, oft begleitet durch eine Violine, verfällt das Album an einigen Stellen in Kammermusik. Die eindringliche, markante Stimme gibt dem ganzen Werk aber einen entgegengesetzten Dreh, der es auch wieder Pop, Folk, oder Blues, oder alles gleichzeitig sein lassen kann. Im Grunde ist es natürlich völlig unwichtig, denn was bei Konzeptalben zählt ist die Konsistenz. Es kann guten Gewissens gesagt werden, dass der Flusslauf an den Liedern nachvollziehbar ist. Gemeinerweise sind die Klischeebilder der Gegend in vielen Köpfen wohl die von einem äußerst dünn besiedelten Landstrich, dessen spärliche Besiedlung vor allem aus trotzigen und möglicherweise schrullig konservativen Einheimischen besteht. Solche Klischees müssen unterminiert werden, denn wer sich nicht auskennt, hat nichts zu melden. Zwar lässt das Album eben jene Vorurteile nicht unbedingt zu, doch mutet die bisweilen sehr getragene Vertonung nostalgisch an, entrückt von einer modernen, immer schneller rotierenden Welt.



Überhaupt, 'getragen' scheint ein angemessenes Wort zu sein. Auf dem Ganzen liegt eine Schwere, viel Moll, das nur an wenigen Stelle durchbrochen wird, beispielsweise wenn unvermittelt eine Ukulele einsetzt. Schon das zweite Lied 'Dig in Our Roots' klingt äußerst bedrohlich, als sollte hier ein Drama erzählt werden. Diese Stimmung dominiert das Album, unterbrochen von eher helleren Minuten wie 'We Travelled Above' oder das auffällig ukulelenlastige und sirenengesangsartige 'My Rock', in dem die Sirenengesänge des nahen Berlin sie in ihre Fänge, ins „dunkle, trübe Berliner Gewässer“ lotsen. Und, es funktioniert, die Sirenen gewinnen. Das Lied 'Villa Rixdorf' beweist es, und Rixdorf ist Teil von Neukölln, und das liegt nun wirklich nicht an der Oder. Die im Lied aufdringliche Ukulele passt ganz gut zu Berlin, denn hier gibt es jede Menge aufdringliche Ukulelen (was aber ganz schön ist). Die Reise hat mit 'Open Page' ein offenes Ende - und ein recht pathetisches. Es ist das Bild der unbeschriebenen Seite im Herzen, die bereit ist noch gefüllt zu werden.

Welches Werk erscheint vorm geistigen Auge, wenn an das Konzept 'vertonte slawische Flussfahrt' gedacht wird? Genau, und deswegen lassen wir einfach Bedřich Smetana zu Wort kommen, wie er selbst 'Die Moldau' kommentiert:
„Die Komposition schildert den Lauf der Moldau, angefangen bei den beiden kleinen Quellen, der kalten und der warmen Moldau, über die Vereinigung der beiden Bächlein zu einem Fluss, den Lauf der Moldau durch Wälder und Fluren, durch Landschaften, wo gerade eine Bauernhochzeit gefeiert wird, beim nächtlichen Mondschein tanzen die Nymphen ihren Reigen. Auf den nahen Felsen ragen stolze Burgen, Schlösser und Ruinen empor. Die Moldau wirbelt in den Johannisstromschnellen; im breiten Zug fließt sie weiter gegen Prag, am Vyšehrad vorbei, und in majestätischem Lauf entschwindet sie in der Ferne schließlich in der Elbe.“ - Wikipedia zu 'Die Moldau'
Ungefähr so, mit anderem Flussnamen und anderen Städten, hätte diese Albumzusammenfassung auch formuliert werden können. Wer Cellos, Violinen, eine ausdrucksstarke Stimme und Wasser mag, ist hier richtig und sollte Odɘr erwerben.

Alle Infos unter ashiabisonrouge.com


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