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Samstag, 15. Mai 2010

Fast Weltweit – Teil I: Die Ursuppe des Hamburger Diskurspops

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Fast Weltweit-Gruppenfoto 1989 © Johannes Mayer
Anfang der 80er: Punk ist tot. NDW wird von einer hoffnungsvollen, kreativen Bewegung mit Bands wie S.Y.P.H., Neonbabies und DAF zu nenamäßiger Kommerzscheiße. Deutschsprachige Musik ist zu dieser Zeit oft seelenlos und unerträglich.

Im Radio laufen Heimatlieder und Peter Maffay ‘mal was anderes’ waren Leute wie Nina Hagen und Udo Lindenberg, und die ‘Alternativszene’ orientiert sich wieder vermehrt an den anglistischen Vorbildern, ohne selbst was Neues zustande zu bringen. In Berlin experimentieren die Einstürzenden Neubauten und Die Tödliche Doris, während sich Die Ärzte auf eine zugänglichere Art versuchen von Punk und NDW abzugrenzen.

In jener trostlosen Zeit keimt der Hoffnungsschimmer ausgerechnet in Bad Salzuflen, einer verschlafenen ostwestfälischen 50000-Einwohner-Stadt. Dort finden sich die zukünftigen Ex-Kleinstadtjugendlichen Bernd Begemann, Michael Girke und Frank Werner zusammen, um Fast Weltweit zu gründen und deutsche Lieder zu schreiben, die weder Deutschrock, Deutschpunk, NDW, Funpunk noch Punkrock waren. Es sollte eine eigene Sprache gefunden werden.
Ist diese Zeit zuviel für ein Lied? /
Denn da ist nichts über das Glück, das wir suchen /
In vergessenen Orten, in den Häuserschluchten /
Und nichts über die Lügen, die wir finden /
Und nichts über das Leben, das wir leben /
Peter Hein – wo bist du?
Hilde Knef – wo bist du?
Rio Reiser – wo bist du?
Ralph Siegel – wann stirbst du?
Jetzt! – Die deutsche Musik ist tot (ca. 1985)

Von Anfang an dabei waren ebenfalls Achim Knorr und Frank Spilker. Neben heute vergessenen Namen gesellten sich später u.a. noch Jochen Distelmeyer und Bernadette La Hengst hinzu.
Als man vor über 25 Jahren in Frank Werners Klangforschung Studio mit Texten über Liebe, Kleinstädte und das Leben herumprobierte, konnte man wohl kaum ahnen, dass mehrere Beteiligte Jahre später mit ihrem ‘Hamburger Schule’-'Diskurspop’ das schaffen, was Fast Weltweit versagt blieb: erhört werden.
Ihre Bands hießen Die Bienenjäger (Jochen Distelmeyer), Der Fremde (Achim Knorr), Jetzt! (Michael Girke) und Die Time Twisters (Jürgen Jahn, Andreas Henning). Die Sterne gabs auch schon, allerdings bestanden sie damals aus Frank Spilker und Mirko Breder.

Sie bildeten nach dem Motown-Vorbild eine Art große Famile, in der sich alle gegenseitig unterstützt haben und zusammen gejammt und aufgetreten wurde.
Bernd Begemann gilt zwar als Mitinitiator und treibende Kraft, aber veröffentlichte selbst nie auf Fast Weltweit, da er bereits 1984 nach Hamburg ging, wo er 1986 mit seiner Band Die Antwort einen Majordeal bekam. Diese Verbindung zu Hamburg schlug sich auf die anderen, sich in der Folgezeit außer auf Hamburg auch auf Köln, Berlin und Hannover verteilenden Fast Weltweit-Künstler nieder, die dort oft zu Gast waren – die Konsequenzen sind bekannt.

Bernadette Hengst (damals noch ohne ‘La’) war an diversen Fast Weltweit-Aufnahmen beteiligt und hat gegen Ende der 80er auch selbst Lieder veröffentlicht, bevor sie 1987 nach Berlin und bereits 1 Jahr später nach Hamburg ging (und dort 1990 Die Braut haut ins Auge gründete).

Leider kam das Label über einige, heute kaum auffindbare Singles und LP/Kassettensampler nicht hinaus und verlief Anfang der 90er im Sande.
Dies ist auch der Grund dafür, warum man kaum digitale Hörbeispiele anbieten kann. Hier ein Lied, das sowohl thematisch, lyrisch als auch musikalisch recht typisch für viele Fast Weltweit-Werke ist. Es ist ein sehr junger Jochen Distelmeyer zu hören, 4 Jahre vor der ersten Blumfeld-Veröffentlichung Ghettowelt. Außerdem spielt Mirko Breder mit, Bestandteil der ersten Sternebesetzung sowie Thomas Wenzel am Bass – bis heute bei den Sternen und außerdem festes Mitglied bei den Goldenen Zitronen.

Es könnten große Schätze gehoben und wiederveröffentlicht werden, und ich hoffe ich erlebe diesen Tag irgendwann mal.
Fast Weltweit wollen, daß Fast Weltweit Platten gehört werden, nicht, daß sie gekauft werden. Also sorgt dafür, daß die Tresen verschwinden und Preisschilder überflüssig werden. Wir leisten unseren Teil.
- Vom Backcover der LP  Jetzt! / Die Time Twisters / Der Fremde – Split LP 1986

Im zweiten Teil beschäftigen wir uns mit der vergessenen Band Jetzt! von Michael Girke, die so etwas wie das verlorene Bindeglied zwischen Fehlfarben und Blumfeld darstellt und ihrer Zeit weit voraus waren.

verfasst von Christian

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